Der Kernseife geht es, wie es so vielen Alltagsgegenständen geht: jeder kennt sie, jeder nutzt sie, ihre Geschichte kennt aber kaum jemand. Dabei ist die Kernseife Jahrtausende alt und ihr Gebrauch zieht sich durch die unterschiedlichsten Kulturen, wobei der Ursprung im heutigen Syrien liegt. Erfunden wird die Kernseife nämlich in Aleppo, einer Stadt, die einst für Hochkultur stand, heute aber in Trümmern liegt. Aus Olivenöl und Lorbeer fertigen findige Handwerker die ersten Seifen, im Gefolge der Kreuzzüge schaffen sie den Sprung nach Europa.

Dort sind es zunächst die Italiener, die Kernseife verwenden, danach die Spanier und schließlich landet die Seife auch in Marseille, wo sie schon im 12. Jahrhundert handwerklich hergestellt wird. Es dauert allerdings noch weitere zwei Jahrhunderte, bis mit Crescas Davin der erste offizielle Seifen-Meister sein Zertifikat erhält. Und 1593 entsteht unter Federführung von Georges Prunemoyr die erste Seifenfabrik, immer in Marseille. Erstmals wird das Produkt nicht mehr handwerklich, sondern industriell hergestellt.

Trotz der industriellen Fertigung schaffen es die Marseiller Seifenmacher im 17. Jahrhundert noch nicht, auch nur die Nachfrage in ihrer Stadt und im Umland zu befriedigen. Deshalb wird weiter Seife aus Genua oder Alicante importiert. Erst der Krieg mit Spanien macht diesem Import ein Ende, die Marseiller Hersteller wappnen sich nun, halb Europa mit Seife zu versorgen: Frankreich, Holland, Deutschland, England.

1660 sorgen schon sieben Fabriken für Nachschub, 20.000 Tonnen Seife verlassen jährlich die Hallen der Hafenstadt und unter Ludwig XIV. wird die Seife nach Marseiller Art zum Gütesiegel.

Seife damals ist übrigens nicht gleich Seife heute. Ursprünglich war Kernseife grün und wurde in Barren zu fünf oder sogar 20 Kilogramm produziert, jeder Hersteller hatte seine Eigenheiten, was 1688 dazu führt, dass die Herstellung von Kernseife unter Marseiller Wappen durch ein ministerielles Dekret vereinheitlicht wird. So konnte Kernseife, Seife nach Marseiller Art, also auch in Toulon oder Arles hergestellt werden.

Die Industrialisierung und Vereinheitlichung der Seifenproduktion zeigt Wirkung. Rund 100 Jahre nach dem Dekret gibt es bereits 48 Marseiller Kernseifen-Fabriken, die Jahresproduktion liegt bei 76.000 Tonnen. In den Fabriken schuften 600 Arbeiter, vor allem aber rund 1500 Sträflinge, die zu Zwangsarbeit verurteilt worden waren. Trotzdem wächst die Seifenindustrie kontinuierlich und erreicht ihren Höhepunkt im Jahr 1938. Damals werden nicht weniger als 120.000 Tonnen Kernseife hergestellt – gänzlich mechanisiert und ohne Einbußen bei der Qualität.

Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Produktion von Kernseife allerdings stetig zurückgegangen, die meisten der historischen Hersteller mussten schließen. Trotzdem ist sie aus unserem Alltag immer noch nicht wegzudenken, auch wenn nach wie vor gilt: die Seife von damals ist nicht die Seife von heute.

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